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Aus: Begegnung, Zeitschrift für Lyrikfreunde, hrsg. von der Gesellschaft der Lyrikfreunde, 34. Jg., Nr. 160, April 2014 S. 39 ff.

(HG) Andreas Klink Artur Nickel
Dann öffnete sich mir die Tür...
Ein und Ausblicke von Jugendlichen aus dem Ruhrgebiet
Geest-Verlag D-49377 Vechta-Langförden Illustrationen Veronika Effling
ISBN 978-3-86685-433.8

Artur Nickel, Gründer der Essener Kulturgespräche und Initiator der Essener Autorenschule hat zusammen mit Andreas Klink ein weiteres Buch der Essener Anthologien herausgegeben. Diese seit 2005 bestehende Reihe gibt Kindern und Jugendlichen im Ruhrgebiet die Gelegenheit, sich zu bestimmten Themen zu äußern und ihre Gedanken darüber niederzuschreiben. Die vorliegende Anthologie stellt die Frage, welche Bedeutung der Begriff Tür in ihrem Leben hat, welche Schwellenerfahrung damit verbunden ist. Eine Tür lässt sich öffnen und schließen, kann in ein neues Leben hineinführen oder auch ganz geschlossen bleiben An dem Projekt haben sich etwa zweihundert Jungautorinnen und -autoren beteiligt, die sowohl aus einheimischen als auch aus Familien mit Migrationsgeschichte stammen. Dreiundachtzig Texte wurden für das vorliegende Buch ausgewählt, das sich in elf Kapitel aufteilt.
Und so beginnt die Anthologie mit der Frage, was Türen für die Jugendlichen überhaupt bedeuten und welche Funktionen sie haben. Die beste Antwort gibt die achtzehnjährige Elena Kreizer, ihre Tür ist etwas Besonderes, ganz mit ihrem eigenen Leben verbunden. Es ist eine einfache Holztür mit einem Mosaik aus Glas. Jedes Ereignis wird auf ein andersfarbiges Glasstück geschrieben und auf die Tür geklebt.
Begonnen hat damit Elenas Mutter, die ihre Geburt auf diese Weise festhielt und bis zu Elenas neuntem Lebensjahr weitermachte. Später hat Elena selbst jedes Ereignis, wie den Eintritt in die Schule oder die Geburt des Bruders auf ein Glasstück geschrieben und das Mosaik weitergefuhrt, das mit ihrem Todestag vollendet sein wird.
Elena hat das Glück, in einer Familie aufzuwachsen, die sie mit Liebe umgibt, in der sie sich geborgen fühlt. Aus den Texten vieler anderer Jungautoren geht hervor, dass die Familie zerstritten ist, die Eltern geschieden sind, die Kinder hin und her geschoben werden. So ergeht es auch Alina Uhlemann (16 Jahre), die schließlich von daheim ausreißt und in einem Heim landet:,,Von da an öffnete sich mir eine neue Tür voller Neubeginne“. Und sie wurde endlich glücklich.
Für andere Kinder wieder entstehen Probleme mit einem Umzug in eine andere Stadt, mit dem sie überhaupt nicht zurechtkömmen. Sophie Adam (17 Jahre) versteht ihren Vater nicht, der aus Karrieregründen einen Beruf in einer anderen Stadt annimmt und knallt voller Wut die Tür nach dem Gespräch zu. Die Mutter öffnet die Tür wieder und überzeugt Sophie, dass sie auch in der neuen Schule Freunde finden wird, So öffnen und schließen sich Türen, können Schicksale , beeinflussen oder nur eine Episode im Leben sein. Einige, meist jüngere Kinder, .lassen ihrer Phantasie freien Lauf und erfinden Märchen, bei denen Türen in ein Zauberreich fuhren, wo es Schlösser und richtige Zuckerländer gibt. Und immer wieder Träume: was mag dahinter sein?
Eingestreut in die Erzählungen sind auch einige Gedichte, besonders eindrucksvoll auf das Thema geht Janina Modler (18 Jahre) ein. Hier ist ein Auszug:

Meine Türschwelle
Grau, Weit und Unpersönlich
Ist diese Welt
Schnelllebig, Gehetzt und Unglücklich
Sind die Leute, die uns jeden Tag begegnen
Laut, Verqualmt und Stinkend
Ist die Luft, die alles umgibt
Und dann gehe ich
Über meine Türschwelle
Meine Türschwelle
Ein Weg in eine andere Welt
Ein Weg, den ich gerne gehe
Ein Weg zu mir nach Hause

Artur Nickel und Andreas Klink geben Kindern und Jugendlichen Möglichkeiten, sich zu äußern und ihre Gedanken, Hoffnungen und Ziele einzubringen Es ist ihnen wieder einmal gelungen, den Leser davon zu überzeugen, wie sinnvoll das ist.
„Dann öffnete sich mir die Tür“ ist eine Anthologie, die zeigt, was jungen Leuten heute auf dem Herzen liegt. Dem sollten wir uns als Leser stellen.
Christine Michelfeit