2006 - Dann kam ein neuer Morgen

 

Dann kam ein
neuer Morgen

 
Kinder und Jugendliche
über ihre Zukunft
zwischen den Kulturen
Friederike Köster,
Artur Nickel (Hg.)

Geest-Verlag,
Vechta-Langförden 2006
ISBN 978-3-86685-031-6
10 Euro

Zum Buch und Projekt

Nach dem überwältigenden Erfolg von Fremd und doch daheim?! ist dies das zweite Buchprojekt, das die KulturLernwelt Essen und der Geest-Verlag Vechta im Jahr 2006 gemeinsam gestartet haben. Es richtete sich wieder an Kinder und Jugendliche zwischen 10 und 20 Jahren in der Stadt Essen. Diesmal wurden sie gebeten zu schildern, was sie mit der Vorstellung eines neuen Morgens verbinden.
Wieder gingen zahlreiche Beiträge ein. Die wichtigsten und interessantesten wurden in das Buch aufgenommen. In ihnen spiegelt sich, welche Zukunftserwartungen Kinder und Jugendliche heute entwickeln. Die Bandbreite reicht von der zupackenden positiven Erwartung an ein Morgen über eine eher skeptische Betrachtungsweise bis hin zum völligen Verlust der Hoffnung auf eine sinnstiftende Zukunft, abhängig von der jeweiligen Lebenssituation der jungen Autoren.
Dann kam ein neuer Morgen ist ein Buch, das dazu einlädt, miteinander über unsere Zukunft ins Gespräch zu kommen. Kinder und Jugendliche genauso wie Erwachsene. Erst ein offener Dialog ermöglicht verantwortliches Handeln.
 


Morgen

Morgen, i avriani imera, was ist das?
Ist das ein neuer Zeitabschnitt?
Ein Zeitabschnitt, mia stigmi,
der von Sekunde zu Sekunde kleiner wird?
Ist das eine Minute,
eine Minute, exinda thefterolepta,
von einer Stunde meines Lebens?

Morgen, was kann das sein?
Kann das ein neuer Zeitabschnitt sein?
Ein Anfang, mia archi,
eines besseren Daseins?
Kann das Hoffnung sein, i tharos?
Hoffnung auf Integration und allseitige Gemeinschaft,
die die Menschen weiterleben lässt?

Was passiert an diesem Morgen?
Bestimmen wir das Morgen?
Bestimmt das Morgen über uns?
Nein, wir entscheiden!
emis apofasisume!
Die Entscheidung, o psifos,
über unser Leben!

Denn wir sind das Leben, sto avrio,
jeder einzelne von uns, oli,
jeder einzelne, kathe enas,
jeder ist ein Haar im Pinsel,
im Pinsel, molivi,
der das Lebensbild färbt.
Welche Farben trägt es morgen?

Verena Fydanidis (13 Jahre)

Reflexion von Artur Nickel(Ausschnitt)

Ganz viel spiegelt sich von dem, was in dem Begriff steckt, in den Texten wider, die für die Anthologie Dann kam ein neuer Morgen entstanden sind. Positiv ist es sicherlich zunächst einmal, dass so viele Kinder und Jugendliche diese Form des literarisierenden Schreibens als Möglichkeit der Standortbestimmung für sich entdeckt haben und nutzen, manche von ihnen nach Fremd und doch daheim?! bereits zum zweiten Mal. Sie vergewissern sich ihrer selbst, um von da aus den nächsten Schritt in Richtung Zukunft zu gehen. Sie haben Kraft und sind bereit sich zu engagieren, und zwar, wie es etwa  heißt, über die
eigenen Grenzen hinaus (S.78). Das ist bemerkenswert und zukunftsorientiert.
Gleichwohl zeigen die gesammelten Beiträge, dass die Verfasser ihrer Zukunft außerordentlich skeptisch gegenüberstehen. Das gilt für diejenigen, die in Essen geboren wurden, genauso wie für diejenigen, die erst später zugezogen sind oder einen Migrantenhintergrund haben. Sie haben zwar ihre Wünsche und Träume, entwickeln jedoch in der Regel keine konkreten Pläne, wie sie ihre Vorstellungen verwirklichen können. Sie zweifeln offenkundig daran, dass sie ihr Ziel erreichen können, und konzentrieren sich deshalb auf das Naheliegende, auf den nächsten Schritt. Sie leben "von der Hand in den Mund", anstatt den Blick mutig nach vorn zu richten. Eine erschreckende Perspektive für eine Gesellschaft, die auf das innovative Potential ihrer jungen Bürgerinnen und Bürger angewiesen ist.

Arbeit mit dem Buch

Die Texte der Jugendlichen in diesem Buch dienen dem Dialog der Jugendlichen untereinander und der Jugendlichen mit Erwachsenen, seien es Eltern, Lehrer, Sozialpädagogen oder die Verantwortlichen in Politik, Verwaltung und Wirtschaft. Bereits mit dem ersten Lesebuch, Fremd und doch daheim?!, wurden positive Erfahrungen gemacht, die Texte als Diskussionsbasis in der schulischen Diskussion (Klassensätze des Buches wurden an verschiedenen Schulen angeschaft), aber auch in der öffentlichen Diskussion einzusetzen. Gern sind die im Buch vertretenden Jugendlichen auch diesmal wieder bereit, ihre Texte vorzustellen und darüber zu sprechen.
Für Rückfragen wenden sie sich bitte an einen der Herausgeber: