Literatur

Wattenscheider Autor über ein kurzes, konsequentes Leben

Wattenscheid/Vechta.   Der Höntroper Schriftsteller Dr. Artur Nickel hat der 1977 in Argentinien ermordeten 1968erin Elisabeth Käsemann ein Gedicht gewidmet. Erschienen ist es im Sammelband der besten Texte eines Literaturwettbewerbs im Vechtaer Geest-Verlag. Buchtitel: „Und niemand glaubt an mich?!“

Als die sozial und politisch engagierte Elisabeth Käsemann 1977 in Argentinien von der Militärdiktatur verschleppt, gefoltert und erschossen wurde, saß Dr. Artur Nickel als Student in Tübingen in der Theologie-Vorlesung ihres Vaters Ernst Käsemann. „Ich sah einen total erschütterten Menschen“, erzählt Nickel. Dass die Bundesregierung in ihrem Fall und in denen der anderen rund 100 verschleppten Deutschen sich mehr hätte einsetzen können – heute räumen beteiligte Politiker das ein. Damals schwiegen sie.

Unter den Tübinger Studenten wurden die Verschleppung, die Doppelrolle der BRD und die Art von Elisabeth Käsemanns Engagement intensiv diskutiert: „Wir haben uns informiert, aber wir konnten nicht helfen. Man hat der Familie nicht geglaubt. Wir konnten nur fragen: Wie gehen wir damit um?“, sagt der Höntroper Schriftsteller Nickel. Jetzt, 37 Jahre später, hat er ein Gedicht darüber geschrieben: „ohne titel“. Erschienen ist es mit den Texten von 105 anderen Beiträgern in der Sammlung der besten Texte zum 5. Brüggener Literaturherbst: „Und niemand glaubt an mich?!“ Eine passende Überschrift für Käsemanns Drama.

Artur Nickel: ohne titel

dein hör
zweifel

schmiegt sich
in mein ver

schweigen
vier schüsse

demut.mut
keimt

hinterrücks

für elisabeth käsemann
1977 von deutschen politikern vergessen
und von der argentinischen militärjunta ermordet

Erschienen in einer Anthologie indes, die laut Verlag „bewusst auf allzu theatralische Selbstmitleidsbeiträge verzichtet“. Auch Nickels Text gibt sich unpathetisch. In knappster Form beschreibt er, wie ein Ich sich mit dem Weg einer 68erin auseinandersetzt, „die sehr konsequent versucht hat, ihre Sicht der Dinge zu leben“, und wie dabei Demut vor ihrem Mut entsteht – und eigener Mut.

Mit dieser Handreichung werden auch die teils zerrissenen Wörter verständlicher. Nickels Ansatz ist, „dass die Normsprache nicht mehr trägt. Ich möchte die Zwischenräume ausloten“, und „dass der Leser hineingenommen wird in diese Bruchstücke“. In ihnen und zwischen ihnen soll etwas Neues, nicht Normiertes entstehen. Die Form spielt mit hinein. Seit dem 20. Jahrhundert verbindet man die weißen Zwischenräume mit dem Ungesagten.

Das Buch ist im Buchhandel erhältlich: „Und niemand glaubt an mich?! Hg. v. Ellen Roemer“. Geest-Verlag 2014. ISBN 978-3-86685-481-9. 520 Seiten, 15 Euro.

Fabian May