Handreichung
mit pädagogischen Zusatzinformationen
Ein Buchprojekt in Kooperation zwischen dem
Kulturzentrum Grend in Essen und dem Geest-Verlag in Vechta

Sehr geehrte Damen und Herren,

nach dem großen Erfolg von „Was mir Hoffnung macht“ starten wir ein neues, das nunmehr zwölfte Buchprojekt für Kinder und Jugendliche zwischen zehn und zwanzig Jahren aus dem Ruhrgebiet. Diesmal geht es um das Thema „Grenzen“. Und wieder wollen wir mit Ihnen gemeinsam etwas Besonderes schaffen. Sie, sehr verehrte Damen und Herren, haben Kontakt zu jungen Menschen. Deshalb bitten wir Sie um Ihre Unterstützung und um Ihr Engagement!
 
Worum geht es genau bei diesem Schreibprojekt

Natürlich hat das neue Thema zunächst einmal mit der derzeitigen Flüchtlingskrise zu tun. Sie bot den Anlass dazu, diese Thematik einmal in den Mittelpunkt zu stellen. Schon in der letzten Anthologie haben sich Jugendliche mit ihr auseinandergesetzt. Die einen waren selbst direkt oder indirekt betroffen, andere haben sich in die Situation hineinversetzt und aus dieser Perspektive heraus Texte geschrieben. Es geht aber jetzt um mehr. Die Frage nach den Grenzen hat ja grundsätzlich mit uns Menschen zu tun. Wir brauchen Grenzen, um uns zu schützen und uns sicher zu fühlen. Gleichzeitig müssen wir immer wieder aber auch Grenzen überschreiten, um Neues zu entdecken und uns weiterzuentwickeln. Beides ist wichtig, und das gilt insbesondere für Kinder und Jugendliche auf ihrem Weg ins Erwachsenenleben, das weiß jeder. Ob ihnen das Ansatzpunkte für ein eigenes Schreiben gibt? Es gibt weitere Überlegungen.

Der geschützte Raum
 
Junge Menschen brauchen von klein auf einen geschützten, einen umgrenzten Raum, um Kind sein und heranwachsen zu können. Die entscheidenden Eckpunkte“ bilden da in der Regel die Eltern, die Geschwister und andere Familienangehörige. Nur so entwickeln sie, so schon der Psychoanalytiker Erik H. Erikson 1973, das notwendige Ur-Vertrauen, die Sicherheit, das Gefühl, geborgen und angenommen zu sein.
Schon sehr schnell fangen die Kinder dann aber an, ihre Fühler auszustrecken und ihre Umwelt zu entdecken. Sie überschreiten ihre räumlichen Grenzen, neugierig, wie sie sind, um die Welt der Erwachsenen zu entdecken und an ihr teil zu haben. So ist der Lauf des Lebens. Besonders eindrücklich geschieht das bekanntlich in der Phase der Pubertät, in der Jugendliche alles und jeden hinterfragen, um dann schrittweise eine eigene Identität zu formen. Hier sind Grenzüberschreitungen, entwicklungspsychologisch betrachtet, geradezu notwendig, wenn nicht ein Scheitern evoziert werden soll.
Schaut man ins junge Erwachsenenalter, so stellt man sehr schnell fest, dass es hier vor allem wieder darum geht, Grenzen zu setzen. Allerdings tun es nun die Jugendlichen selber, um sich von anderen abzugrenzen und das neu zu definieren, was sie ausmacht und ihren persönlichen Kern bildet. Sie sammeln ihre eigenen Erfahrungen und lernen Schritt für Schritt, ob der Weg, den sie eingeschlagen haben, richtig oder zu korrigieren ist, ob sie also eine bestimmte Grenze, die sie sich gesetzt haben, wieder verschieben müssen. Das ist der Weg ins Erwachsenenleben. Wann ist es gut, eine Grenze zu setzen? Wann ist es gut, sie zu überschreiten? Wann muss eine Grenze neu ausgerichtet werden? Es ist ein ständiger Prozess, ein Hin und Her auf der Suche nach der richtigen Antwort. Er prägt jeden von uns, junge Menschen jedoch ganz besonders.

Gibt es so etwas wie Borderline-Migranten?

Besonders interessant ist es vor diesem Hintergrund natürlich die Kinder und Jugendlichen nach ihren Grenzen zu befragen, die zu uns nach Deutschland eingewandert sind. Wie sehen sie ihren persönlichen Schutzraum? Welche Akzente setzen sie aufgrund ihrer kulturellen Tradition und ihrem religiösen Selbstverständnis? Wie wachsen sie – auch das ist womöglich eine Grenzüberschreitung – in unsere Gesellschaft hinein? Verschieben junge Migranten ihre Grenzen und definieren sie sie neu? Oder halten sie gegen alle Widerstände an ihnen fest?
Der bekannte deutsch-türkische Schriftsteller Feridun Zaimoglu spricht im Hinblick auf die Silvestervorfälle in Köln von „Borderline-Migranten“, die für die Übergriffe gegen Frauen verantwortlich seien (vgl. z. B. http://www.welt.de/politik/deutschland/article151620452/Wir-haben-eine-Krise-des-muslimischen-Mannes.html). Das ist bemerkenswert, denn er verwendet dabei einen Begriff aus der Psychiatrie, der eigentlich ein Krankheitsbild umschreibt, eine Persönlichkeitsstörung, die in vielen Fällen durch frühe traumatische Erfahrungen ausgelöst wird. Stimmt diese Bezeichnung? Trifft sie zu? Verbirgt sich hinter ihr vielleicht sogar ein tiefergehendes Problem? Oder handelt es sich „nur“ um ein Problem, mit dem Neuankömmlinge in Deutschland zu tun haben? Das Bild sollte auf jeden Fall zu denken geben.
Umgekehrt scheint die Begegnung mit Fremden bei manchen Menschen, deren Familien schon immer in Deutschland leben, in ähnlicher Weise so etwas wie ein Borderline-Syndrom auszulösen, ein Gefühl der Angst und der Bedrohung, das ganz bewusst immer wieder von rechten Brandstiftern geschürt wird. Viele der fremdenfeindlichen Übergriffe in Deutschland dürften in dieses Muster passen. Was nehmen die Kinder und Jugendlichen im Revier davon wahr, egal, woher sie stammen? Welche Wege gehen sie, um dem zu begegnen? Es muss doch Brücken geben, damit wir im Ruhrgebiet, ja, in Deutschland eine gemeinsame demokratische Zukunft gewinnen!

An der Grenze
Was es heißt, vor einer verschlossenen Grenze zu stehen, zeigen gegenwärtig die Bilder von den Flüchtlingen, die im griechischen Idomeni an der Grenze zu Mazedonien stehen, sie kennt wohl jeder  (vgl. z. B. http://www.focus.de/politik/ausland/griechisch-mazedonische-grenze-fluechtlingshelferin-schildert-schockierende-zustaende_id_5326818.html). Es sind vor allem Familien, Frauen und Kinder, die dort stranden auf ihrer Flucht aus den Bürgerkriegsgebieten im Nahen Osten. Sie haben keine richtigen Unterkünfte im zu Ende gehenden Winter, zu wenig zu essen und sind verzweifelt. Und dann schießt auch noch die mazedonische Polizei auf sie (mit Tränengas), um sie von der Grenze zurückzuhalten! Das ist an Dramatik wohl kaum zu überbieten. Hier wird deutlich, wie unmenschlich, ja, wie brutal Grenzen sein können. Hier wird - bei allem Für und Wider – die menschliche Würde außer Kraft gesetzt. Das ist ein No Go! Aber ist das vielleicht nicht auch ein Bild für andere Grenzen, mit denen es die Kinder und Jugendlichen im Revier zu tun haben und die ihnen den Weg versperren? Das könnte wohl ein weiterer Schreibanlass werden.

Borderline in der Flüchtlingskrise?

Zu fragen ist hier aber sicherlich auch danach, wie gerade Migranten, die schon länger im Ruhrgebiet leben, die derzeitige Flüchtlingskrise wahrnehmen. Gehen sie aufgrund ihrer persönlichen Vorerfahrungen an solchen Grenzen anders mit ihr um als diejenigen, die schon immer in Deutschland leben? Die Antwort dürfte wohl sehr unterschiedlich ausfallen, je nach dem, ob jemand aus Osteuropa, aus dem Nahen Osten, aus Afrika oder Lateinamerika zu uns gekommen ist! Jemand, der aufgrund seiner Kultur oder seiner Religion verfolgt worden ist, dürfte sie wahrscheinlich anders beantworten als jemand, der etwa aus wirtschaftlichen Gründen nach Deutschland gekommen ist. Oder?
Was bringen uns die neuen Migranten als Grenzgänger mit? Können wir von ihnen lernen? Können wir an dem teilhaben, was sie uns mitbringen? Was wiederum müssen sie von uns lernen, um es überhaupt bei uns auf der anderen Seite dieser Grenze auszuhalten? Oder gibt es vielleicht sogar Dinge, die keine Grenzüberschreitung zulassen, die einer erfolgreichen Integration entgegenstehen? Was ist mit denen, die schon immer hier leben. Müssen sie nicht auch Grenzen überschreiten, damit die Neuen wirklich bei uns ankommen? Müssen sie sich nicht genauso öffnen, sich vielleicht sogar zeitweilig ein wenig zurücknehmen, um den Integrationsprozess voranzutreiben? Welche Perspektiven entwickeln sie? Können ihnen dabei Migranten, die schon länger unter uns leben, helfen? Was ist da zu tun?

An der Ruhr

Das Ruhrgebiet selbst übrigens, wo die Kinder und Jugendlichen leben, die mit diesem Schreibprojekt angesprochen werden sollen, ist im strengen Sinn eigentlich eine Grenz-Region. Bis ins Mittelalter hinein war die Ruhr nämlich so etwas wie eine natürliche Grenze, die man nur an bestimmten Stellen, an den Furten, überschreiten konnte. Diese waren bekanntlich befestigt, um die Handelsstraßen zu schützen und Räubern keine Handhabe zu bieten. Die Ruhr selbst als Fluss war jahrhundertelang Transportweg, um per Schiff grenzüberschreitend Kohle, Eisen und andere Güter zu transportieren. Wer heute an der Ruhr unterwegs ist, sieht noch die alten Treidelpfade. Später war für viele das Revier so etwas wie das gelobte Land, weil man hier Arbeit und ein Auskommen finden konnte. Der Grund für viele Menschen, auszuwandern und hierher zu ziehen - durchaus auch ein Grenzphänomen!
Heute gibt es im Ruhrgebiet jedoch andere Grenzen. So wird manchmal der Ruhrschnellweg, die A 40, als Ruhrgebietsäquator bezeichnet, um zu verdeutlichen, dass es zwischen dem Norden und dem Süden im Ruhrgebiet eine Armutsgrenze gibt. Im Norden würden besonders viele Hartz 4-Empfänger wohnen, gerade hier würden die Städte schrumpfen, weil die Menschen wegzögen, bis zu 25 Prozent in den letzten vierzig Jahren, so heißt es etwa bei Kulturwest (vgl. http://www.kulturwest.de/kulturpolitik/detailseite/artikel/kollabierende-raeume/, geöffnet am 1.3.2016). Auch das ist etwas, was die Kinder und Jugendlichen betrifft, die im Ruhrgebiet heranwachsen. Sie leben mit dieser Entwicklung, haben Teil an ihr und müssen sich ihr stellen, ob sie wollen oder nicht. Wie verarbeiten sie das, was in ihrem Umfeld geschieht? Welche Zukunft haben sie hier angesichts des vielzitierten Strukturwandels? Wohin geht ihre Reise im Revier? Das ist sicherlich genauso ein Schreibthema für sie!

Eine Frage der Zeit

Und noch etwas: Viele Entwicklungen brauchen Zeit, das ist bekannt, Brüche auch, wenn sie heilen sollen. Immer wieder stellt sich dabei die Frage, wieviel Zeit uns überhaupt zur Verfügung steht, wieviel Zeit uns tatsächlich bleibt, um das umzusetzen, was wir wollen, oder gar uns selbst zu verwirklichen. Auch da gibt es Grenzen. Mal öffnen sie sich und geben sie uns den Blick frei auf neue Perspektiven, mal errichten sie jedoch vor uns Mauern, Bollwerke, die schier unüberwindbar erscheinen und uns den Weg versperren. Die Frage hat durchaus eine existentielle, ja, sogar eine religiöse Dimension, wenn wir uns mit ihr ernsthaft beschäftigen. Für junge Menschen ist es besonders wichtig, sich mit ihr auseinanderzusetzen, stehen sie doch quasi noch am Anfang ihres Lebens. Sie haben noch ganz viel Zukunft vor sich, die gestaltet sein will. Wie gehen sie mit ihrer Zeit um? Wo gewinnen und wo verlieren sie sie? Und das gerade im Internetzeitalter, wo ja vieles fast gleichzeitig passiert und der traditionelle Zeitbegriff praktisch auf den Kopf gestellt ist.
Wie reagieren die Kinder und Jugendlichen auf die oft verschwimmenden zeitlichen Grenzen? Welchen Niederschlag finden bei ihnen die politischen Krisen der Welt, z. B. die Kämpfe im Nahen Osten, die Krise in der Ukraine oder der Konflikt in Afghanistan? Sie erleben sie ja fast hautnah mit, selbst wenn sie keine verwandtschaftlichen Verbindungen dorthin haben. Unsere Welt ist zusammengerückt und so ziemlich jeder größere Konflikt im Ruhrgebiet mit den Händen zu greifen. Wo sind da noch die Grenzen? Neu ist diese Entwicklung sicherlich nicht. Sie begleitet die Menschen, die hier leben, seitdem Kohle abgebaut und Stahl produziert wurde. Sie hat in den letzten Jahrzehnten jedoch eine Dynamik gewonnen, die unsere bisherigen Grenzen in Frage stellt und einen manchmal geradezu atemlos zurücklässt – auch Kinder und Jugendliche.
Darüber hinaus öffnet die Zeit Räume, Zukunftsräume, in denen man Dinge, die einem am Herzen liegen, kreativ vorwegnehmen und einfach mal ausprobieren kann. Auch das ist für die Kinder und Jugendlichen wichtig, wenn sie später einmal Verantwortung übernehmen und ihren Weg in eine selbstbestimmte, demokratische Zukunft finden sollen. Ob das der Anlass ist, einmal darüber zu schreiben? Die Frage der Zeit verschränkt alles: die entwicklungspsychologische Dimension, die Wanderungsbewegungen ins Ruhrgebiet hinein und aus ihm hinaus sowie die Situation „vor Ort“ an der Ruhr.

Neue Freunde?

All diese Überlegungen münden in die Frage, wie die Kinder und Jugendlichen eigentlich selber miteinander umgehen, die im Revier zu Hause sind, ja, wie sie selber miteinander umgehen wollen und sollen. Auch das hat viel mit Grenzen zu tun. Grenzen sie sich voneinander ab und damit andere aus? Gehen sie unbeschwert aufeinander zu, neugierig, den anderen kennenzulernen? Was für Freundschaften pflegen Kinder und Jugendliche heute im Ruhrgebiet? Wer wird zuerst aktiv und überschreitet seine bisherige Grenze? Derjenige, der hier geboren oder der zugewandert ist? Oder gibt es gerade unter jungen Menschen sogar so etwas wie Grenzenlosigkeit? Das herauszufinden, ist sicherlich spannend. In Facebook-Zeiten ist der Begriff Freundschaft an Beliebigkeit ja kaum noch zu überbieten. Mit dem vielzitierten Klick sammelt man heutzutage seine Freunde wie früher etwa Briefmarken. Oder gibt es vielleicht doch noch Freundschaften zwischen Gleichgesinnten, von Menschen, die einander vertrauen und füreinander einstehen? Und das vielleicht sogar über die Grenzen der eigenen Kultur und der eigenen Religion hinweg? Welche Wege gehen die Kinder und Jugendlichen da im Revier? Denkbar ist alles.
 
Verehrte Multiplikatoren, es gibt viele Ansatzpunkte für das Schreibprojekt, noch längst ist nicht alles aufgeführt. Und vielleicht haben Sie ja noch ganz andere Ideen, um junge Menschen dazu zu motivieren zu schreiben. Warum nicht!

Was wir wollen

Die neue Anthologie „Von Grenzen und Grenzverschiebungen“ ist Teil einer ganzen Reihe von Buchprojekten, die in den letzten Jahren im Ruhrgebiet durchgeführt wurden. Mit ihnen wollen wir gerne

•   Kinder und Jugendliche mit und ohne Migrationsgeschichte in der Familie zum freien Schreiben 
     anregen,
•   ihnen bis in bildungsferne Schichten hinein über das Schreiben neue Perspektiven eröffnen, wie
     sie sich mit ihren Vorstellungen und Bedürfnissen in unsere Gesellschaft einbringen können,
•   für sie Leistungsanreize schaffen, indem herausragende „literarische“
     Einzelleistungen mit der Aufnahme in die Anthologie belohnt werden,
•   ihnen ein literarisches Podium für eine gelungene Verständigung mit sich selbst und anderen 
     bieten,
•   Brücken bauen, wo es notwendig ist,
•   einen Beitrag zur ästhetischen Erziehung leisten,
•   auf literarischer Ebene Impulse für eine intensive Bildungsarbeit setzen.


Am Ende soll ein Buch stehen, in dem die interessantesten Texte veröffentlicht werden, die im Rahmen des Projektes entstanden sind.

Die Chance zur Standortbestimmung

Ziel dieser Reihe ist es, einen ganz besonderen Blick auf die Sichtweisen von Jugendlichen mit und ohne Migrationshintergrund im Ruhrgebiet zu werfen. Was bewegt sie? Was fühlen sie? Wofür stehen sie? Wohin wollen sie? Es sind Fragen, deren Beantwortung für uns alle wichtig ist. Denn wie sie junge Menschen beantworten, zeigt an, wohin die Reise unserer Gesellschaft geht. Gelingt es, die Kinder und Jugendlichen in unsere Erwachsenenwelt zu integrieren? Werden sie ihren Platz in unserer Gesellschaft finden, egal, ob sie in Deutschland geboren wurden oder nicht?
Fast schon seismographisch zeigen die zehn Anthologien, die bisher erschienen sind, Jahr für Jahr auf, was sich bei den Kindern und Jugendlichen im Ruhrgebiet verändert und wo sie Kontinuitäten bewahren. Das geschieht sicherlich nicht mit Hilfe wissenschaftlich-exakten Methoden, wohl aber sehr persönlich und authentisch. Auf diese Weise sind die Essener Anthologien, die Ruhrlesebücher, mit ihren inzwischen über eintausend veröffentlichten Texten geradezu zu einem Schatz der Jugendkultur geworden. Das jeweils neue Thema entsteht dabei immer wieder in Auseinandersetzung mit dem, was an Beiträgen für die letzte Anthologie erschrieben worden ist und was sich vor diesem Hintergrund an zentralen Fragen stellt. Genauso ist es auch bei dem neuen Buchprojekt.

Die bisherigen Titel:

„Fremd und doch daheim?!“, Vechta 2005,
„Dann kam ein neuer Morgen“, Vechta 2006,
„Heute ist Zeit für deine Träume“, Vechta 2007,
„Pfade ins Revier – Pfade im Revier“, Vechta 2008,
„Ruhrkulturen. Was ich dir aus meiner Welt erzählen möchte“, Vechta 2009,
„Märchenhaftes zwischen Emscher und Ruhr“, Vechta 2010,
„Zwischen meinen Welten unterwegs“, Vechta 2011.
„Wenn Wasser erzählt“, Vechta 2012,
„Dann öffnete sich mir die Tür“, Vechta 2013,
„Wie die Zeit vergeht“, Vechta 2014,
„Was mir Hoffnung macht“, Vechta 2015

Von sich selbst erzählen

Deutlich ist: Wenn sich Kinder und Jugendliche mit dem Thema Hoffnung beschäftigen, so berührt das zentrale Fragen ihrer Existenz. Der Schweizer Autor Peter Bichsel sagte 1982 in seinen Frankfurter Poetik-Vorlesungen: „Wer sich auf das Erzählen einlässt, der (...) tut es, um sein Leben zu leben.“ (P. B., Der Leser. Das Erzählen, Darmstadt und Neuwied 1982). Dieser programmatische Satz könnte auch für das stehen, was die neue Ruhrgebietsanthologie will. Wenn junge Menschen anfangen zu erzählen, dann sind das keine Fingerübungen. Schon gar nicht, wenn es um ihre Belange geht. Denn in ihren Texten setzen sie sich mit ihren Erfahrungen auseinander und beziehen diese auf ihre Wirklichkeit. Was sie erzählen und wie sie dies tun, spiegelt also viel von dem, was in ihnen vorgeht. Und das ist wichtig, damit sie ihre persönliche Zukunft in unserer Gesellschaft finden. Wie verarbeiten sie das, was sie erlebt haben? Wie beschreiben sie, was gewesen ist? Welche Worte finden sie für die Fakten, welche für das, was es zu gestalten gilt? Welche Erkenntnisse führen sie weiter? Gehen sie auf Fantasiereisen oder bleiben sie im Hier und Jetzt stecken? Welche (literarische) Formkraft entwickeln sie, um das darzustellen, was sie darstellen wollen?

Unsere Bitte

Aus diesem Grunde sprechen wir Sie, verehrte Moderatorinnen und Moderatoren, persönlich an! Geben Sie den Kindern und Jugendlichen in den Einrichtungen, in denen Sie arbeiten und mit denen Sie zu tun haben, Raum, sich mit der Thematik zu befassen!  Davon auszugehen ist auf jeden Fall, dass das, was bei jungen Menschen auf erzählerischer Ebene passiert, in vielerlei Hinsicht sein Pendant bei ihnen selbst findet. Und das ist gerade für ihr Lebensalter wichtig. Es ist ein Schritt sprachlicher „Verortung“, der sie den Blick nach vorne richten und Perspektiven entwickeln lässt. Was will ich? Was kann ich? Wie kann ich das, was ich will, erreichen? Es sind Fragen, die ihnen Wege eröffnen, sich kritisch und selbstkritisch mit der eigenen Gegenwart und der eigenen Zukunft zu befassen. Es ist für jeden, der mit jungen Menschen zu tun hat und sich für ihre Belange interessiert, etwas, an dem er eigentlich nicht vorbeigehen kann.
Für uns ist das ein Grund, dem einmal genauer nachzuspüren, um zu beleuchten, was es damit auf sich hat. Dass sich daraus wichtige Impulse für die Kinder- und Jugendpolitik sowie die Integrationspolitik ergeben können, liegt auf der Hand. Allen Institutionen, die mit jungen Menschen zu tun haben, wie Schulen, Jugendgruppen, Migrantenvereine bis hin zu den politischen Verbänden bietet das Buchprojekt daher eine Chance zur Standortbestimmung und zur Reflexion über das, was bisher in der Arbeit mit diesen Kindern und Jugendlichen erreicht wurde. Na ja, und vielleicht ist vor diesem Hintergrund sogar hin und wieder mit neuen Einsichten zu rechnen, und deshalb bitten wir Sie um Ihr Engagement und Ihre Unterstützung!
Lassen Sie also die Kinder und Jugendlichen, mit denen Sie es zu tun haben, Texte schreiben! Entscheidend ist, dass sie auf irgendeine Weise mit dem Thema Grenzen zu tun haben. Die Handlung selbst kann im Ruhrgebiet angesiedelt sein, muss es aber nicht. Der Text kann in der Vergangenheit spielen, in unserer Gegenwart, aber natürlich auch in der Zukunft. Wie sie es wollen!

Die Gattungen

Welche literarische Form die Kinder und Jugendlichen wählen, wollen wir ihnen nicht vorgeben. Sie sollen grundsätzlich selbst entscheiden, was zu ihren Inhalten passt. Sie können sich an traditionellen Vorbildern orientieren, aber gerne auch eigene Vorstellungen entwickeln. Das ist offen. Gleichwohl kann es sinnvoll sein, wenn Sie ihnen hier und da Orientierungshilfen geben, um sie beim Schreiben zu unterstützen. Das ist für uns kein Ausschlusskriterium.

Ihre Aufgabe als Multiplikator

Bitte geben Sie den Kindern und Jugendlichen, mit denen Sie zu tun haben, Raum und Zeit, Texte zum Thema „Grenzen und Grenzverschiebungen“ zu verfassen! Nutzen Sie Ihre Position als Lehrer/in, Jugendleiter/in, Sozialarbeiter/in, Erzieher/in, Elternteil, usw., ermutigen und beraten Sie sie! Ermuntern Sie sie, in der Sprache zu schreiben, in der sie sich zu Hause fühlen!
Bitte fordern Sie Flyer für die Weitergabe an Ihre Schüler/innen, Kinder und Jugendlichen an, mit denen Sie arbeiten oder zu denen Sie Kontakt haben. Geben Sie diese an sie weiter, laden Sie sie ein und leiten Sie die gesammelten Texte bitte weiter! Bitte wählen Sie diese nicht vorher aus! Schicken Sie uns möglichst alle Texte, die bei Ihnen entstanden sind! Oft genug gibt es auch bei scheinbar Schlechterem einige Beiträge, die trotz mangelnder Sprachrichtigkeit Interessantes aufzeigen!
Manchmal muss das freie Schreiben vielleicht noch geübt werden. Hilfestellung dazu bieten beispielsweise der Aufsatz „Das geheime Leben der Wörter. Freies Schreiben in der Schule“ von Ralf Thenior und die vier Bücher, die in diesen Jahren unter der Federführung von Erwin Krottenthaler und dem Literaturhaus Stuttgart bei Klett/Kallmeyer erschienen sind: „Szenisches Schreiben im Unterricht“ von Thomas Richardt (Seelze 2011), „ Erzählendes Schreiben im Unterricht“ von Ulrike Wörner (Seelze 2012), „Lyrisches Schreiben im Unterricht“ von José F. A. Oliver (Seelze 2013) sowie „Journalistisches Schreiben im Unterricht“ von Tilman Rau (Seelze 2014). „Literarisches Schreiben im Deutschunterricht“ von Ulf Abraham uns Ina Brendel-Perpina (Seelze 2015) sowie „Wort und Spiel im Unterricht“ von Timo Brunke (Seelze 2015). Aber auch sonst gibt es viele Bücher oder Internetadressen, die über das freie Schreiben und seine Möglichkeiten Auskunft geben.

Wichtige Hinweise

Selbstverständlich dürfen die Jugendlichen, vor allem die mit Migrationshintergrund, in der Sprache schreiben, in der sie sich zu Hause fühlen. In welcher, das sollte gegebenenfalls mit angegeben werden. Die für den Abdruck in der Anthologie ausgewählten Texte werden, wie im Verlagswesen üblich, Korrektur gelesen und den Jungautorinnen und -autoren noch einmal zur Kontrolle vorgelegt. Wenn Sie Fragen haben, dann melden Sie sich bitte bei uns! Wir beraten Sie gerne.

1 bis 3 Texte pro Person (jeweils max. 3 Din A4-Seiten).

Die Ausschreibungsfrist endet am 1. August 2016.

Adresse (zur Abgabe der Texte)

Kulturzentrum Grend
z. Hd. Artur Nickel
Stichwort „Hoffnung“
Westfalenstraße 311
45276 Essen

Absender (Telefonnummer, Email-Anschrift und Alter nicht vergessen!)

Die Jugendlichen, deren Texte aufgenommen werden, werden schriftlich informiert.
Wer an dem Projekt teilnimmt, erklärt sich damit einverstanden, dass sein Beitrag in dem Buch und in Verbindung damit gegebenenfalls auch in anderen Medien veröffentlicht wird. Eingesandte Texte können leider nicht zurückgeschickt werden, der Rechtsweg ist ausgeschlossen.

Weitere Infos unter

www.arturnickel.de
www.geestverlag.de
www.grend.de .

Ausgewählte Literaturangaben

Gerd Herholz (Hg.): Die Musenkussmischmaschine, eine Sammlung von 132 Schreibspielen,
Neue Deutsche Schule Verlagsgesellschaft, 3. Aufl. 2003
Ralf Thenior: „Das geheime Leben der Wörter. Freies Schreiben in der Schule“,
vgl. http://www.ralf-thenior.de/leseproben/autorenschule.html, geöffnet am 22.2.2015
Thomas Richardt: Szenisches Schreiben im Unterricht, Seelze 2011
Ulrike Wörner u. a.: Erzählendes Schreiben im Unterricht, Seelze 2012
José F. A. Oliver: Lyrisches Schreiben im Unterricht, Seelze 2013
Tilman Rau: Journalistisches Schreiben im Unterricht, Seelze 2014
Ulf Abraham u. a.: Literarisches Schreiben im Deutschunterricht, Seelze 2015
Timo Brunke: Wort und Spiel im Unterricht, Seelze 2015

Im November 2016 soll die Anthologie erscheinen und mit einer öffentlichen Lesung präsentiert werden. Das geben wir rechtzeitig bekannt. Danach kann es weitere Lesungen und Veranstaltungen im Ruhrgebiet geben, um das Buch zu präsentieren und die in den Texten angesprochenen Themen in Schulen und anderen Institutionen, die mit Kindern und Jugendlichen zu tun haben, zu diskutieren. Wenn Sie daran Interesse haben, Anregungen haben oder uns unterstützen möchten, wenden Sie sich bitte an uns! Das Gleiche gilt, wenn Sie andere Fragen zu dem Buchprojekt haben.

Wir sind gespannt auf die Texte und verbleiben
mit herzlichen Grüßen

Dr. Artur Nickel

Kulturzentrum Grend
Westfalenstraße 311
45276 Essen
Tel.: 02327 974246    
Fax: 0201 8513250
arturnickel@web.de
www.arturnickel.de

Alfred Büngen

Geest-Verlag
Lange Straße 41 A
49377 Vechta
Tel.: 04447 856580
Fax: 04447 856581
info@geestverlag.de
www.geestverlag.de